„Weiterbildung 4.0 – DKBM in Zeiten des digitalen Wandels“

Interview mit Dr. Pia Gerhards, wissenschaftliche Mitarbeiterin Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE)

Das Angebot im Bereich der Weiterbildungslandschaft ist sehr heterogen. Neben den öffentlichen und gesellschaftlichen Trägern gibt es auch eine Vielzahl von privaten Akteur*innen, die Weiterbildungen anbieten. Wie kann Ihrer Meinung nach innerhalb der kommunalen Bildungsberichterstattung eine sinnvolle Eingrenzung auf einzelne Themen und Aspekte erfolgen?

Bei der Identifikation von Themen und der Auswahl entsprechenden Daten sollte zum einen die Problemorientierung und zum anderen die Steuerungsrelevanz für die Kommune im Vordergrund stehen. Also welche übergeordneten Informationsbedarfe gibt es in Bezug auf Bildung, welche Themen sind von Bedeutung, und wo bzw. was kann die Kommune direkt oder indirekt gestalten. Ziele und Fragestellungen sollten idealerweise eingebettet sein in das Gesamtkonzept für das Bildungsmonitoring.

Außerdem ist es hilfreich sich zu fragen, welche aktuellen Herausforderungen in der Kommune und welche gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit Weiterbildung stehen. Das kann z. B. ein hoher Anteil an Erwachsenen ohne allgemeinen Schulabschluss sein, eine hohe Arbeitslosigkeit, die älter werdende Bevölkerung, Zuwanderung oder Digitalisierung. Von Interesse sein könnte vor dem Hintergrund etwa die lokale Angebotsentwicklung im Bereich der Weiterbildung, die Ausrichtung auf Zielgruppen, die Verstärkung kooperativer Strukturen oder der Einsatz kommunaler Mittel für das Weiterbildungsangebot.

Der Prozess der Themenfindung sollte in jedem Fall in Abstimmung mit den relevanten lokalen Weiterbildungsakteuren stattfinden.
 

Anhand des Adult Education Survey oder des wbmonitor können Aussagen zur Erwachsenenbildung auf nationaler Ebene getroffen werden. Die Daten werden hierbei jedoch anhand von großen Strichproben aus Interviews bzw. Fragebögen gewonnen. Für Kommunalverwaltungen sind solche Erhebungen mit großem Ressourcenaufwand verbunden, der nicht immer zu gewährsleisten ist. Welche Möglichkeiten sehen Sie hierbei dennoch für das DKBM, um an aussagekräftige Ergebnisse im Weiterbildungsbereich auf kommunaler Ebene zu gelangen?

Ich halte es nicht für sinnvoll, entsprechende Erhebungen in einzelnen Kommunen durchzuführen - der Ressourcenaufwand wäre tatsächlich viel zu hoch. In kleinerem Umfang können eigene Erhebungen aber durchaus hilfreich sein, bspw. um einheitliche Daten zu den vorhandenen Weiterbildungseinrichtungen zu gewinnen. Auch bestimmte Datenlücken zur Weiterbildungsteilnahme lassen sich möglicherweise durch Befragungen von Bürgerinnen und Bürgern schließen. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass entsprechende Kompetenzen und Zugänge zu den Adressatinnen und Adressaten bei den Durchführenden vorhanden sind. Die Daten sollten möglichst fortschreibbar sein. Und die Kosten-Nutzen-Relation sollte immer klar im Blick behalten werden.

Diese großangelegten bundesweiten Erhebungen können aber sehr wohl Trends aufzeigen, die auch auf der kommunalen Ebene Anlass sein können für eine Themenfindung im Bildungsmonitoring. Allgemeine Informationen zur kommunalen Weiterbildungsteilnahme und zum kommunalen Weiterbildungsangebot stellt auch der Deutsche Weiterbildungsatlas bereit, der im Internet unter https://kreise.deutscher-weiterbildungsatlas.de abrufbar ist. Er basiert auf dem Mikrozensus und leitet daraus Aussagen für alle Kommunen im Einzelnen ab. Diese Hinweise können einen Ausgangspunkt bilden für weitergehende Überlegungen zu Datenbedarfen.
 

Auf welche Datenquellen kann sich die kommunale Berichterstattung in Bezug auf Weiterbildung im Allgemeinen und digitale Weiterbildung im Speziellen stützen?

Die Datenlage zur Weiterbildung ist, verglichen mit anderen Bildungsbereichen, recht unübersichtlich. Es gibt keine Gesamtstatistik, die alle Bereiche der Weiterbildung abdeckt. Allgemein zum Thema Weiterbildung sind im Wesentlichen vier unterschiedliche Arten von Statistiken zu nennen: 1. amtliche und halbamtliche Statistiken, wie z. B. die Schulstatistiken der Länder, etwa zum zweiten Bildungsweg, die Statistiken zur Förderung der beruflichen Weiterbildung der Bundesagentur für Arbeit und die Integrationskursgeschäftsstatistik des BAMF, 2. Verbands- und Trägerstatistiken, wie die Volkshochschul-Statistik und die Daten der Handwerkskammern und der Industrie- und Handelskammern, 3. Datenquellen zu weiteren non-formalen und informellen Lernwelten, damit gemeint sind verschiedene Einrichtungen mit Lerngelegenheiten für Erwachsene wie Bibliotheken, Zoos, Museen, Theater, Sportvereine u.Ä. und 4. Sekundärstatistiken, das können z. B. bereits vorhandene kommunale Daten sein, die standardmäßig von Ämtern oder im Rahmen von Befragungen für andere Zwecke erhoben werden. Auch der bereits genannte Deutsche Weiterbildungsatlas gehört in diese Kategorie. Als fünfte Datenquelle ließen sich noch die eigenen Erhebungen anführen, deren Durchführung aber wie schon erwähnt mit einer Reihe von Voraussetzungen verknüpft sind.

In Bezug auf digitale Weiterbildung stellt sich die Datenlage nochmal uneinheitlicher und lückenhafter und zugleich auch komplexer dar. Grundsätzlich kann grob unterschieden werden zwischen Daten zu Lernmitteln, zu Lerninhalten und zur Lerninfrastruktur der digitalen (Weiter)bildung. Eine Datenquelle, die Teilinformationen zu allen dreien bietet, ist die Volkshochschul-Statistik. Weitere Daten zur Lerninfrastruktur enthält die Bibliotheksstatistik. Zu Lerninhalten lassen sich Informationen aus der Auswertung von Weiterbildungs-Datenbanken im Internet gewinnen. Der Breitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur bietet detaillierte Informationen zur Ausstattung mit Breitbandzugängen zum Internet als Voraussetzung oder Gelegenheitsstruktur für digitales Lernen. Und schließlich können auch hier eigene Erhebungen weitere Einblicke ermöglichen.
 

Der Bereich der digitalen Weiterbildung erfährt während der Corona-Pandemie einen enormen Schub. Welche Auswirkungen hat die digitale Transformation auf den Bereich der Weiterbildung? Gibt es hierzu schon erste fundierte Ergebnisse?

Daten aus regelmäßig durchgeführten großangelegten Studien aus dem vergangenen Jahr liegen aktuell leider noch nicht oder nur als vorläufige Ergebnisse vor. Insbesondere über die mittel- bis langfristigen Folgen der Corona-Pandemie lassen sich noch keine Aussagen treffen. Und es bleibt auch noch offen, ob der „Digitalisierungsschub“ durch die Pandemie nachhaltige Wirkungen auf die Weiterbildung zur Folge haben wird.

Es können aber erste Erkenntnisse zu kurzfristigen Auswirkungen abgeleitet werden aus einzelnen regional und zeitlich eingegrenzten Studien. Informationen zu solchen kurzfristigen Auswirkungen auf Anbieter und Angebote, Personal und Teilnahme an Weiterbildung fasst ein Kapitel der Trendanalyse[1] des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung zusammen, die im Herbst 2021 erscheinen wird. So konnten für einen längeren Zeitraum viele Weiterbildungsangebote nur digital stattfinden, die meisten fielen einfach ersatzlos aus. Das hatte zunächst auch große Auswirkungen auf viele Anbieter, die dadurch in finanzielle Schieflage gerieten. Die Teilnahme an Weiterbildung war stark verbunden mit der individuellen Risikolage und verfügbaren zeitlichen Ressourcen, die bspw. durch Kinderbetreuung eingeschränkt waren. Zudem waren die Auswirkungen in verschiedenen beruflichen Branchen sehr unterschiedlich ausgeprägt, je nach Betroffenheit durch Einschränkungen im Zuge der Pandemie. Auch die in der Bevölkerung ungleich verteilte Ausstattung mit digitalen Endgeräten und Kompetenzen im Umgang damit spielen natürlich eine Rolle.

Digitalisierung bietet unbestritten Chancen, auch für die Weiterbildung. Es eröffnen sich bspw. neue Möglichkeiten zur Teilnahme, u.a. aufgrund der Ortsungebundenheit der Angebote. Voraussetzung hierfür ist aber ein entsprechender flächendeckender Zugang zu schnellem Internet. Und Weiterbildung gewinnt durch die Digitalisierung an Bedeutung, denn das lebenslange Lernen wird zur Voraussetzung, um sich dem stetigen Wandel anpassen zu können und so Teilhabechancen zu gewährleisten. Aber es besteht die Gefahr, dass sich durch Digitalisierung und die unterschiedliche Betroffenheit während der Pandemie Ungleichheiten im Zugang zu Weiterbildung verfestigt oder sogar verstärkt haben. Dies gilt es in den nächsten Jahren in den Blick zu nehmen.
 

Als Mitglied des Konsortiums Bildungsmonitoring haben Sie u.a. auch an dem 2020 erschienen Anwendungsleitfaden für den Aufbau eines kommunales Bildungsmonitorings mitgearbeitet. Welchen Bedarf sehen Sie in Änderung oder Erweiterung der darin enthaltenen Kennzahlen, damit der Bereich der digitalen Weiterbildung besser erfasst werden kann?

Der Anwendungsleitfaden existiert ja bereits seit vielen Jahren, das erste Mal erschien er im Jahr 2007. Er wurde immer wieder evaluiert und aktualisiert durch das Konsortium Bildungsmonitoring, die letzte Neuauflage ist Ende 2020 erschienen. Das Konsortium befasst sich derzeit verstärkt mit dem Thema Digitalisierung im DKBM. Der Bedarf für entsprechende Kennzahlen da, leider ist aber – wie eben schon gesagt – die Datenlage für die kommunale Ebene noch sehr lückenhaft. Geprüft wird vom Konsortium derzeit auch, wie es in den anderen Bildungsbereichen aussieht, um hier zu belastbaren Aussagen zur digitalen Bildung insgesamt zu kommen. Perspektivisch ist geplant, sofern es die Datenlage zulässt, den Anwendungsleitfaden um Indikatoren zur digitalen Bildung zu erweitern. In der letzten Auflage wurden Indikatoren zur kulturellen Bildung und damit zum ersten Mal bildungsbereichsübergreifende Kennzahlen aufgenommen. Ich kann mir vorstellen, dass ein ähnliches Verfahren auch in Bezug auf digitale Bildung sinnvoll ist, was dann auch Kennzahlen zur Weiterbildung einschließen würde.
 

Ebenso arbeiten Sie im Projekt iWBBe (Integrierte Weiterbildungsberichterstattung) daran, die berufliche Weiterbildungsstatistik im Sinne der Nationalen Weiterbildungsstrategie zu erweitern und verbessern. Das Projekt ist im vergangenen August gestartet. Gibt es schon erste Erkenntnisse dazu, wo Optimierungsbedarf hinsichtlich der beruflichen Weiterbildungsstatistik besteht?

Das Projekt läuft noch bis Ende Juni 2022, entsprechend sind wir mitten im Prozess zum einen der Bestandaufnahme vorhandener Statistiken und Daten zur beruflichen Weiterbildung und zum anderen der Identifizierung von Datenlücken und -bedarfen. Im Projekt iWBBe wird wohlgemerkt die Bundesebene in den Blick genommen, daher werden die Ergebnisse leider nicht unmittelbar für das DKBM relevant sein.

Es zeichnen sich aber bereits zentrale Themen ab, zu denen eine aussagekräftige Datengrundlage von Bedeutung ist. Ich möchte einige Beispiele nennen: Unter anderem gibt es bislang zu wenig Wissen über die Wirkungen oder Ergebnisse von beruflichen Weiterbildungsaktivitäten im Sinne von messbaren Veränderungen, die aus Weiterbildung resultieren, wie bspw. Erhaltung von Beschäftigungsfähigkeit oder der Verwirklichung individueller Ziele. Andere Datenlücken bestehen in Bezug auf betriebliche Weiterbildungsaktivitäten und kommerzielle Weiterbildungsangebote – diese werden bislang nicht genau erfasst. Und eben auch die Angebote der digitalen Weiterbildung werden bislang nicht eindeutig abgegrenzt, sowohl in Bezug auf die Lerninhalte als auch die Lernformen.

Vielen Dank für das Interview.

Weitere Infos: www.die-bonn.de


[1] Kohl, Jonathan.; Denzl, Elisabeth (2021, im Erscheinen): Corona-Pandemie: Folgen für die Weiterbildung. In: Widany, Sarah; Christ, Johannes; Echarti, Nicolas; Reichart, Elisabeth (Hg.): Trends der Weiterbildung. DIE-Trendanalyse 2021. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung - Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen. Bielefeld: wbv Media.